Mit der Einführung des Hebammenreformgesetztes am 1. Januar 2020 wurde die Hebammenausbildung in Deutschland modernisiert und akademisiert. Statt der bisherigen schulischen Ausbildung qualifizieren nun ausschließlich duale Bachelorstudiengänge für den Beruf. Ellen Wellers-Schwanekamp ist eine der ersten studierten Hebammen im DIAKO, hat sich allerdings erst auf dem zweiten Bildungsweg für den Kreißsaal entschieden. Zuvor war die 47-Jährige 12 Jahre lang als IT-Projektmanagerin tätig. Seit Anfang Januar ist sie nun Teil des Hebammen-Teams im DIAKO und berichtet, warum der akademische Weg in den Beruf für sie der Richtige war.

Woraus entwickelte sich Ihr Wunsch, Hebamme zu werden?
Ellen Wellers-Schwanekamp: „Früher habe ich mit dem Begriff ‚Krankenhaus‘ eher das Gefühl von Angst verbunden. Mit der Geburt meines ersten Kindes änderte sich dies schlagartig, was damit zusammenhing, dass ich sowohl während der Schwangerschaft als auch später im Wochenbett eine großartige Hebammenbegleitung genießen durfte. Plötzlich konnte ich mir sogar vorstellen, selbst Frauen bei dieser aufregenden Reise zu begleiten und ihnen das Gefühl zu geben, da sind Menschen, die ihre Bedürfnisse ernst nehmen und versuchen der Natur ihren Raum zu geben. Als dann mein drittes Kind auf die Welt kam, wurde mir klar, wenn ich noch Hebamme werden möchte, dann jetzt. Zu diesem Zeitpunkt war gerade das neue Hebammenreformgesetzt in Kraft getreten. Somit wurde ich mehr oder weniger zufällig Studentin des ersten Jahrgangs des internationalen Hebammenstudiums an der Hochschule Bremen.“

Was hat Sie an dem Studienangebot überzeugt?
Ellen Wellers-Schwanekamp: „Ich bin nach wie vor der Auffassung das beides seine Vorteile hat – sowohl die Ausbildung als auch das Studium. Was mir am Studium sehr gefallen hat, war das wissenschaftliche Arbeiten mit Studien. Dadurch schaue ich aus einem anderen Blickwinkel auf Schwangerschaft und Geburt. Auch das Thema Psychologie wird schwerpunktmäßig behandelt, wodurch einem zum Beispiel verschiedene Kommunikationswege, wie die trauma- oder geschlechtersensible Kommunikation, aufgezeigt werden. Das verpflichtende Auslandssemester ermöglicht einen intensiven Einblick in andere Gesundheitssysteme. In anderen Ländern haben Hebammen zum Beispiel umfangreichere Verantwortungsbereich oder arbeiten in ganz anderen Strukturen. Da der Studiengang international ist, finden auch einige Vorlesungen auf Englisch statt, was einem nicht nur Türen für die Arbeit im Ausland öffnet, sondern auch auf das spätere Arbeiten in einem kulturell diversen Stadtteil wie Gröpelingen vorbereitet.“

Haben Sie sich nach Abschluss des Studiums gut für den Arbeitsalltag gewappnet gefühlt?
Ellen Wellers-Schwanekamp: „In Bremen ist das Studium so organisiert, dass physiologische und anatomische Grundlagen der Geburt und Schwangerschaft erst einmal theoretisch erlernt werden und man dann – nach ungefähr einem Dreivierteljahr – in den ersten klinischen Praxiseinsatz startet. Während des vierjährigen Studiums durchläuft man insgesamt zehn Praxisphasen, die mich gut auf den späteren Arbeitsalltag vorbereitet haben. Anders als viele denken, sind die Anteile von Theorie und Praxis im Studium tatsächlich sehr ausgewogen. Wenn man einen neuen Job beginnt, muss man sich natürlich trotzdem immer erst in das Umfeld einfinden und Prozesse kennenlernen. Im DIAKO habe ich mich bereits während meiner Praxiseinsätze gut aufgehoben und verstanden gefühlt – das hat sich nach der Festanstellung nur bestätigt und mir den Einstieg erleichtert. Das Team im DIAKO ist nicht nur sehr empathisch und unterstützend – hier ist man offen und freut sich über neue Impulse.“

Welche wissenschaftlichen Inhalte können Sie heute in der Praxis anwenden?
Ellen Wellers-Schwanekamp: „Der Berufseinstieg als Hebamme ist für alle der gleiche. Hier werden keine Unterschiede gemacht, ob jemand studiert hat oder nicht und das ist auch gut so. Durch das wissenschaftliche Arbeiten kann ich nicht nur meinen Standpunkt fundiert belegen und anderen dadurch leichter näherbringen. Die Leitlinien und Studien dienen mir dabei als wichtiges Tool in der Kommunikation – sowohl mit Kolleginnen als auch Patientinnen. Besonders wertvoll ist für mich der Austausch mit Hebammen, die eine langjährige Expertise
in dem Beruf mitbringen, denn dieses Erfahrungswissen hilft, das theoretisch Gelernte einzuordnen und zu bewerten. Eigene Erfahrungen, Evidenzen und der Austausch mit den Kolleg-innen helfen mir, mich zu reflektieren und mein Selbstbild als Hebamme zu entwickeln.“

Wofür war die Akademisierung des Hebammenberufs Ihrer Meinung nach gut?
Ellen Wellers-Schwanekamp: „Der Fortschritt liegt meiner Meinung nach nicht in den transportierten Inhalten, sondern daran, dass dem Beruf durch die Akademisierung eine höhere Bedeutung zugesprochen wird. Ich habe das
Gefühl, dass dadurch vor allem die interprofessionelle Kommunikation mehr auf Augenhöhe stattfindet. Die Ärzteschaft richtet den Blick vor allem auf die Pathologie, während wir Hebammen das Hauptaugenmerk auf die Physiologie und Gesunderhaltung legen – was habe ich an Ressourcen und wie kann ich diese nutzen, um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett für die Patientin bestmöglich zu gestalten. Hebammen werden somit als noch wichtigerer Bestandteil der Frauenheilkunde wahrgenommen und ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.“

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