Luftaufnahme Diako
Eingang DIAKO
Dr. Karen Wimmer

Ihr ist es wichtig, eine allumfassende Medizin anzubieten, bei der die Frau ganz und gar im Mittelpunkt steht. Sie kommt direkt aus der Klinik zu unserem Treffen und nimmt sich trotz des vollen Arbeitstages, der hinter ihr liegt, viel Zeit für unser Gespräch über ihre erfüllende Arbeit als Chefärztin, ihre besondere Art und Weise, die Frauenklinik zu fuhren und auch sehr Persönliches. In der Klinik wird das gesamte universitare Spektrum der Gynäkologie angeboten. Mehr als 3500 Patientinnen begeben sich pro Jahr in die stationäre Behandlung, etwa ebenso viele Frauen werden ambulant betreut. Dr. Karen Wimmer und ihr Team bieten die komplette medizinische und pflegerische Begleitung eines Frauenlebens an. „Wir behandeln und betreuen Frauen in jeder Phase ihres Lebens mit der gleichen hohen Qualität“, betont Dr. Wimmer. Ob Geburtshilfe, allgemeine gynäkologische und urogynäkologische Probleme oder Krebserkrankungen inklusive allumfassender Chirurgie vom kleinen Routine- Eingriff bis zur großen Operation. Neu gegründet hat die engagierte Chefärztin das Zentrum fur Gebärmuttergesundheit und bietet bei der Myom-Therapie nicht nur bekannte operative Methoden, sondern ab sofort auch eine nicht-invasive Methode (ohne Schnitt) mit der Sonata- Behandlung an. „Diese Methode ist schonend und hinterlasst keine Narben. Diese schnittlose Behandlung ist unter anderem bei Kinderwunsch enorm wichtig“, betont Dr. Wimmer. „Generell wollen wir möglichst organerhaltend agieren“, denn oft werde die Gebärmutter zu schnell entfernt.

Eine nahbare Ärztin

Bei aller medizinischen Fachkompetenz ist ihr Distanz in der Betreuung der Patienten fremd. Ein entspannter Umgang auf Augenhohe ist für sie selbstverständlich. Im weisen Kittel trifft man sie eher nicht, denn auch mit normaler Kleidung mochte sie Distanz abbauen. Sie sitzt auch mal bei den Patientinnen am Krankenbett, nimmt sich viel Zeit und geht sehr sensibel auf alle Bedürfnisse ein. Dieser persönliche Kontakt bedeutet ihr viel. Natürlich ist Zeitdruck und Stress allgegenwärtig in der Medizin und in den Krankenhäusern. Das ist in der Frauenklinik nicht anders. „Ich kompensiere meinen Zeitmangel mit 150 % Konzentration auch in den Gesprächen“, sagt sie. Die 46-Jahrige konnte in ihrem Berufsleben viel Kommunikation zwischen Kollegen und Patienten, aber auch zwischen Mitarbeitern untereinander beobachten. Das hat sie geprägt. „Ich konnte leider oft beobachten, wie man es gerade nicht machen sollte“, stellt sie lachend fest. „Ich wollte es anders machen und dazu musste ich Chefärztin werden. So kann ich den Umgang und die Kommunikation untereinander anders vorleben und vorgeben.“ Um so eine Position innezuhaben, müsse man alles können und beherrschen, war sie sich sicher. Sie stürzte sich also voll in den Beruf, übernahm zusätzliche Dienste. Privatleben gab es kaum. Sie kennt sich auf jedem Gebiet gut aus, das ist ihr sehr wichtig. „Meine Spezialisierung ist, dass ich nicht spezialisiert bin“, sagt sie.

Ein ganz besonderer Führungsstil

Nun ist sie seit sechs Jahren Chefärztin, und im Umgang mit ihren Mitarbeitern setzt sie auf Freundlichkeit, Respekt und Aufrichtigkeit. Zu ihrem Team gehören 11 Arztinnen und Arzte sowie zahlreiches medizinisches Fach- und Pflegepersonal. Herzliches, gerechtes und gutes Miteinander ist für sie enorm wichtig. „Oft werde immer nur über die Fehler gesprochen. Natürlich kenne ich die Schwachen meiner Mitarbeiter und sie kennen meine. Aber ich konzentriere mich auf ihre Starken und setze sie vor allem dort gezielt ein, wo sie gut sind. Dadurch werden sie ruhiger, selbstbewusster und eigenständiger“, ist sie sicher. „Natürlich werde auch über Fehler gesprochen, aber frei von Vorwürfen, sondern im Sinne des gemeinsamen Lernens.“ Und ein „Danke“ ist nie zu viel, auch unter dem Mundschutz lächeln ist immer möglich“, findet sie. Sie mochte Wohlbefinden vermitteln und zeigen: „Ich nehme dich wahr.“ Gerade junge Arzte mochte sie im Handeln und Denken starken, indem sie diese ermutigt und ihnen den besonderen und sehr menschlichen Umgang miteinander vorlebt. Neben allem Fachwissen ist ihr auch Intuition wichtig. Manchmal habe man das Gefühl, da stimmt was nicht, ohne medizinischen Beweis. Wenn einer aus ihrem Team so etwas äußert, nimmt sie das sehr ernst. Sensibilität wird bei ihr großgeschrieben. „Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und Emotionalität zieht sich durch alle Themen und beeinflusst alles in meinem Leben.“ Früher dachte sie, ihre Emotionalität sei eine Schwache – wie so viele Menschen mit weiblichen Attributen – heute sieht sie es umgekehrt. „Emotionalität und Sensitivität ist eine besondere Stärke, die eingesetzt werden darf. Menschen mit mehr männlichen Attributen haben durch ihre hohe Fokussierung oft einen Tunnelblick, bis sie eine Lösung finden, sodass Emotionen oft in den Hintergrund rücken, jedoch ein Durchhaltevermögen oft starker ausgeprägt ist. In meinem Team brauche und pflege ich beide Qualitäten“, betont sie.

Glaube spielt wichtige Rolle

Ihr Leben und ihr Anspruch als Führungskraft ist auch von ihrer Religion geprägt. Sie gehört dem Bahai-Glauben an. Dessen zentrale Botschaft ist, dass alle Religionen eine Einheit bilden und die Menschen friedlich miteinander leben sollen. Danach sollen alle Menschen vereint sein, die gleichen Rechte haben und sich für das Wohlergehen ihrer Mitmenschen einsetzen. An Gott geglaubt hat sie schon immer, war früher protestantisch. „Meine Mutter meinte schon damals, ich weiß gar nicht, woher du das hast“, erinnert sie sich lächelnd. Im Studium kam sie dann in Berührung mit dem Bahaitum und merkte, „das beinhaltet ja genau das, woran ich schon mein Leben lang glaube.“ Damit kommen wir auch auf den Sinn des Lebens zu sprechen. Für sie gehört dazu der Dienst an der Menschheit, ebenso die stetige Weiterentwicklung der Seele im irdischen Leben für das Leben nach dem Tod durch das tägliche „Üben“ von Tugenden. Ihr Glaube spiegelt sich tagtäglich in ihrem Leben wider. Ihr ist es wichtig, gerecht zu sein, wahrhaftig und ehrlich. „Ich habe tagtäglich in meinem Beruf mit Ängsten zu tun, Angst vor Krankheiten, Angst vor dem Sterben und auch mit dem Tod und mit Trauer.“ Damit umzugehen und auch Patientinnen zu begleiten, dabei helfe ihr der Glaube auch, sagt sie.

Von Schleswig-Holstein nach Bremen

Aufgewachsen ist sie in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein. In Kiel absolvierte sie erfolgreich ihr Medizinstudium, in Heide begann sie ihre Facharztausbildung. Eine Begegnung mit einer an Brustkrebs erkrankten Patientin, deren Ruhe, innere Stärke und völlig ausgeglichene Ausstrahlung sie sehr beeindruckten, waren ausschlaggebend für ihren Weg in die Frauenheilkunde. In Lübeck war sie dann am Universitätsklinikum als Oberärztin tätig. 2017 kam das Angebot aus Bremen, Chefärztin in der Frauenklinik am DIAKO zu werden. Die Aufgabe reizte sie sehr und sie wurde hier schnell heimisch, lernte auch ihren Mann hier kennen. Ihre Großeltern kamen aus Bremen, die Stadt war ihr nicht fremd und sie hat sie schnell lieben gelernt. „Ich mag die bunte Gesellschaft hier, den Querschnitt durch die ganze Welt“, freut sie sich.

Kraft tanken im Privaten

Ausgleich zu ihrem fordernden Beruf findet sie bei ihren Tieren. Sie hat zwei Pferde, mit denen sie regelmäßig ausreitet und eine Katze. „Tiere sind die besseren Menschen, sie sind wahrhaftig und treu. Tiere erden uns auch. Wenn man meint, man hat Probleme, muss man nur in den Stall gehen. Sie zeigen, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe, Gesundheit und ‚Fressen‘, und alles wird relativiert“, gibt sie ihrer großen Tierliebe lachend Ausdruck. Neben der Medizin spielen auch Kunst und Musik eine Rolle in ihrem Leben. Sie spielt Flöte, Klavier, Gitarre und singt, malt auch ab und zu, geht gerne in klassische Konzerte und Ausstellungen. Nach der Schule konnte sie sich trotz des immer schon großen Interesses an Naturwissenschaften auch ein Kunst- und Musikstudium vorstellen. Es ist aber zum Glück ihrer Patienten und Mitarbeiter anders gekommen. Sie hat ihre Leidenschaft in der Medizin mit so ganz besonderen Führungsqualitäten gefunden. „Immer noch begeistert mich meine Arbeit. Medizin ist so ein toller Beruf“, erzählt sie strahlend. Das ist auch in jedem Moment unseres Gesprächs zu spuren. Bei ihr kann man schon eher von Berufung als Beruf sprechen. „Medizin ist ein Dienst an der Menschheit wie viele andere Berufe auch, aber hier kann man bei einer Genesung gleich den Erfolg ernten“, freut sie sich.

 

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Bremissima 1/23. Die Fotografin ist Marta Urbanelis.

| Text: Ira Scheidig, Bremissima · Fotos: Marta Urbanelis, www.martaurbanelis.de